Ergotherapie in der Psychiatrie und Psychosomatik

Die Psychiatrie und Psychosomatik ist heute – zusammen mit der Neurologie – einer der größten medizinisch-therapeutischen Fachbereiche, in dem die Ergotherapie sehr wirksam ihre speziellen Kompetenzen und Verfahren einbringen kann. Sie befasst sich hier mit Klienten aller Altersstufen und mit vielerlei psychiatrischen und psychosozialen Störungen und Beeinträchtigungen. Diese sind zurückzuführen auf zeitweilige oder chronische Erkrankungen.
Da die moderne psychiatrische Ergotherapie klientenzentriert ausgerichtet ist, sind die folgenden Erläuterungen stets beispielhaft und als Möglichkeit zu verstehen. Anhand der ärztlichen Diagnose und der ergotherapeutischen Befunderhebung, d.h. Behandlung und Beratung sowie auch zur Prävention, werden mit jedem einzelnen Klienten Wege der Interventionen vereinbart und verfolgt – immer mit dem Ziel größtmöglicher Selbstständigkeit, Teilhabe und Lebensqualität.

Ergotherapeutische Krankheitsbilder und Diagnosen

Das große Spektrum der psychiatrischen Erkrankungen, Diagnosen und psychosozialen Störungen reicht von Angst- und Zwangsstörungen, Belastungs- und Anpassungsstörungen, Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, affektiven Störungen wie Depressionen und Manien bis hin zu Psychosen und Sucht erkrankungen,
u.a. Alkohol-, Drogen-, Medikamenten- und (Glücks-)Spielsucht sowie Süchten der neuen Medien.
In verschiedenen Lebensphasen können alterstypische Erkrankungen auftreten, u.a. können Entwicklungs- und Verhaltensstörungen mit Beginn in Kindheit und Jugend vorliegen, oder – häufig bei Menschen im höheren Lebensalter – demenzielle Syndrome und Mehrfacherkrankungen. Eine ergotherapeutische Behandlung ist immer auch angezeigt, um drohenden oder weiteren Defiziten vorzubeugen (Prävention). In der Psychiatrie gelingt es oft, die Verarbeitung eines Krankheitsverlaufes oder einer Krisensituation zu unterstützen und so den Umgang mit einer Beeinträchtigung im Alltag zu verbessern.

Ergotherapeutische Therapieziele

Das Ziel der Therapie ist die Ermittlung, Stabilisierung, Förderung und (Wieder-)Herstellung von:
• Psychischen Grundleistungsfunktionen (u.a. Antrieb und Motivation, Belastbarkeit und Ausdauer)
• Emotionalen Kompetenzen (u.a. psychische Stabilität, Gefühlsausdruck, Erlebnisfähigkeit)
• Introspektion und realitätsbezogener Selbst- oder Fremdwahrnehmung und -einschätzung
• Einem positiven Selbstbild, Selbstvertrauen und Ich-Stärke
• Kommunikations- und Interaktionsfähigkeit sowie  sozialen Kompetenzen
• Situationsgerechtem Verhalten sowie arbeitsrelevanten Fähigkeiten (z.B.  Pünktlichkeit, Flexibilität, Selbstorganisation)
• Lebenspraktischen Fähigkeiten und Entwicklung von Strategien zur Selbstfürsorge, Selbstversorgung und Selbstständigkeit

Methoden und Tätigkeitsfelder in der Ergotherapie

Kompetenzzentrierte Methode

Durch sachbezogene, alltagsorientierte Übungen sollen verloren gegangene oder nicht vorhandene Kompetenzen erworben werden. Dies kann u.a. durch die Nutzung lebenspraktischer, handwerklicher und/oder arbeitsbezogener Medien zur Übung bestimmter Tätigkeiten gefördert werden. Der Klient kann eine bessere Orientierung und Selbsteinschätzung (Introspektion) erlangen und lernen, einen Bezug zur Realität herzustellen. Die über diesen Behandlungsweg erreichten Erfolge helfen, Stabilität und Selbstvertrauen zu stärken.

 

Ausdruckszentrierte Methode

Den subjekt bezogenen, ausdruckszentrierten Übungen liegen tiefenpsychologisch orientierte Konzepte zu Grunde. Der Klient erschließt sich Möglichkeiten, über kreativ-gestalterisches Tun und Handeln eine bessere Wahrnehmung von Erlebnisqualitäten zu finden, d.h. er lernt, Wünsche, Bedürfnisse und Gefühle insbesondere nonverbal, aber auch verbal zum Ausdruck zu bringen. Dabei steht der Gestaltungsprozess im Vordergrund als Weg zu einem besseren Selbstverständnis und Einblick in die darin begründeten persönlichen Reaktions- und Verhaltensweisen.
• Kognitives bzw. Hirnleistungstraining: Diese neuropsychologisch orientierte Behandlung nutzt neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die zeigen und nachweisen, wie kognitive Fähigkeiten, u.a. Konzentration und Merkfähigkeit, gefördert werden können. So vielfältig wie die möglichen Ziele in der Therapie sind auch die ergotherapeutischen Methoden und Verfahren im Rahmen der Behandlung.
Auszug aus DVE